Wenn Menschenskinder ins Leben kommen, bestehen die ersten Jahre aus lauter Premieren. Das erste Lächeln, das erste Gehen, das erste Pflaster, vom ersten Strich an der Wand bis zum ersten Streich... and so on.
Und einige erste Male, die verpassen wir leider auch. Ich kann mich noch gut an eine Premiere unseres Zwillingsmeitschis erinnern. Ich stand in der Küche. Beide Menschen lagen am Boden und blubberten und blabberten vor sich hin.
Als ich den Kühlschrank öffnete und wieder schloss, lag das Mädchen auf dem Bauch und strahlte mich an. Und ich, ich hätte weinen können. Natürlich hat es sich danach nur noch gedreht, aber halt nicht mehr zum ersten mal ;).
Und ich dachte mir auch - komm gottlob hast du noch eine Chance, wenn sich das Zwillingsbüblein dreht. Und du glaubst es nicht, aber ich verpasste auch diese Drehung, weil ich juste in diesem Moment aufs Handy schaute. Das ärgerte mich noch mehr, weil es keine Zeitung, kein Buch oder von mir aus die Kühlschranktüre war. Aber Item. Man lernt dann auch Premieren was das gnädig sein mit sich selbst bedeutet. Dann, wenn wir versagen, uns falsch verhalten oder per se biz plötzlich des öfteren eine doofe Mama sind.
Mit dem älter werden der Menschenskinder hören die Premieren nicht auf. Sie beginnen immer wieder von neuem - so auch die eigenen. Solch eine Premiere möchte ich hier mit euch teilen.
Elf Jahre. Nach elf Jahren äusserte ich Mäni meinen Wunsch alleine in unserer Wohnung zu sein. Alleine bis in die Morgenstunden zu schlafen ohne das Bett zu teilen und ohne geweckt zu werden.
Mäni und die Menschenskinder gingen somit campen ;). Nicht weit. Aber weiter als in unserem Garten.
Was soll ich sagen. Die Stille in der Wohnung hallte laut durch die Räume. Ich hörte ihr erst eine Weile zu, bis ich sie nicht mehr ertrug und Musik abspielte.
Ich war nach elf Jahren zum ersten mal länger als 24h alleine zu Hause. Nicht weg oder irgendwohin, sondern zu Hause. Verstehe mich nicht falsch. Aber mit sieben Menschen teilt man alles und: nichts, nichts mehr gehört einem selbst. Nicht mal die Ordnung ;) - die erst recht nicht. Und das habe ich genossen.
Ich habe in der ersten Stunde alles aufgeräumt und geputzt und genoss den Anblick dieses stabilen Zustandes. Verbrachte Zeit in der Hängematte und als ich zurück ins Wohnzimmer kam, war da immer noch alles aufgeräumt und sauber. Und als ich das Bad betrat, erkannte ich mein Antlitz immer noch im Spiegel - auch war da keine Picassokunst aus einer Masse von Zahnpasta im Waschbecken. Was ich nahezu vermisste - inzwischen bin ich jeweils schon gespannt und freue mich auf die immer neuen Kreationen im, auf, um das Waschbecken - nehms mit Humor - Premieren können nämlich auch schöne Rituale werden.
Später habe ich mein Lieblingsessen - ein Mango-Carpaccio mit Rüeblilachs - zubereitet und dazu gelesen. Die Nacht war fürchterlich. Ich konnte nicht schlafen - irgendwie war mir nicht wohl so alleine - wer hätte es gedacht. Als ich am Morgen aufwachte und in die Küche lief, war immer noch alles an Ort und Stelle und ich musste meinen Weg zum Müesli weder freischaufeln noch kärchern. Das war irgendwie schön.
Danach habe ich ein für mich wichtiges Vorhaben unternommen. Ich bin mit dem Fahrrad von Burgdorf nach Sutz-Lattrigen an den Bielersee gefahren. Das war für mich persönlich meine Abschiedsreise vom Kleinkinderalter unserer Menschenskinder. Am Montag starteten sie alle ins Schulsystem. Ich brauchte diese körperliche Herausforderung. Vielleicht auch um den Schmerz vom leidenden Herz auf den Körper umzuverteilen.
Es hilft mir bestimmte Dinge zu einem bestimmten Zweck bewusst zu tun - wohl so ein Wehmutsding, so kann ich es besser ablegen und es kommt so auch mal zu einem Punkt.
Die Veloroute ist wunderbar. Route 24 und danach Route 64. Das letzte Stück war hart. Der Sattel auch. Lange noch erinnerte ich mich an diesen Ausflug. Der Sprung ins kühle nass - wie ein Loslassen. Ein Freuen im Sein. Im Hier und Jetzt. All meine Menschen da wieder in die Arme zu nehmen fühlte sich besonders an. Für mich. Weil ich wusste warum.
Premieren - sie sind wie Glitzermomente, die im Himmel der Erinnerungen leuchten bleiben.
HAPPY FRIDAY