Gleichmut. Das bedeutet composure. Und Gleichmut wiederum bedeutet Gelassenheit, Haltung, Fassung oder auch Beherrschung.
Ich habe sie diese Woche verloren. Die Beherrschung. War so wütend. Habe geflucht. Habe mich falsch verhalten. Konnte nicht über dem Verhalten eines unserer Menschenskinder stehen und habe sie verloren. Die Fassung. Ich möchte hier nicht ins Detail gehen. Aber ich weiss, dass das in einer Elternlaufbahn mitunter auch normal ist.
Meine Schwester, die an jenem Tag da war, hat mich in den Arm genommen. Ich habe geweint und geschluchzt. Scheiss-streng sei es. Sie hat mich gedrückt.
Später haben wir uns darüber unterhalten, dass man als Eltern so oft nicht weiss, wie hätte man sich denn nun in dieser Situation korrekt verhalten und damit es erst nicht soweit kommen konnte. Im Nachhinein denke ich, war meine Zündschnur an jenem Tag so kurz, da wäre "das Dorf" mitten in unserer Wohnung von Nöten gewesen (meine Schwester traf ich erst später).
Manchmal und oft ist es aber nicht da das liebe Dorf und wir sind auf uns und unsere composure, unseren Gleichmut gestellt.
Wir sind beide - das Menschenskind und ich - über unsere Grenzen gegangen. Haben uns in Vorstellungen und wie es nun sein sollte verloren. Rundherum das pure Leben. Dreckige Wäsche, Barfussfüsse, an denen die Resten des zulange schon lange nicht mehr gestaubsaugten Lebens, klebten - diese Füsse von sieben Menschen, die wiederum über Teppiche, Sofas, Matratzen tapsten und auch dort ihre Spuren hinterlassen würden.
Die Waschmaschine, die ihr Ende vorwurfsvoll piepste, die Zahnpasta-Resten die wie Glühwürmchen aus dem Waschbecken entgegen leuchteten, die Striemen, die Wollmäuse, die Hausaufgaben, die Fruchtfliegen, der nicht geleerte Komposteimer auf der Fensterbank, der übervolle Aktenkoffer im Kopf, der vom Anruf an den Kaminfeger über den Elternabend, bis hin zum Zahnarzttermin vereinbaren, schrie: bearbeite. mich. jetzt.
Darauf folgend all das worauf man sich eigentlich freuen sollte. Baldige Ferien, tolle Projekte, der Geburtstag eines unserer Menschenskinder. Das soll kein Klagen sein. Es soll einfach beschreiben und aufzeigen weshalb uns solche Notlagen passieren und wie wir zukünftig gleichmutiger werden könn(t)en.
Ich habe in jener darauffolgenden Nacht schlecht geschlafen. Mich mit meiner Agenda aufs Sofa gesellt und gestrichen. Gestrichen was nicht geht. Nicht sein muss. Habe Entscheidungen getroffen, habe mich gesammelt. Habe dann auch etwas über mich gelacht, weil ich eigentlich saugut im Planen bin und gleichzeitig eben doch sauschlecht.
Es ist dieser Balanceakt. Wie die Fahrt auf einem wunderschönen Fahrrad auf schmalen Rädern, weil das Leben mit Menschenkindern schnell ist. Die Leichtigkeit, welche mir so oft durch das unbeschwerte Lachen unserer Menschenskinder vor den Augen vorgelebt wird, ich möchte sie nicht verlieren. Ich erinnere mich an unser Jahresmotto in diesem Jahr: Sanftheit. Nun weiss ich, dass es zur Sanftheit aber auch eine gewisse Gelassenheit - wohl jene die ein Kool Kid wie ebendiese Haltung wie ein Shirt trägt, benötigt.
Es wird dann voll, wenn wir zu viel wollen.
Meistens. Mitunter.
An jenem Tag kam meine andere Schwester damit Mäni und ich am Elternabend eines unserer Menschenskindern (es ist der zweitletzte und nein wir gehen in der Regel nicht zu zweit) teilnehmen konnten.
Wir düsten etwas früher los. Um diese Bilder zu shooten. Mir war ganz und gar nicht danach - hatte ich doch einige Stunden zuvor geschluchzt. Diese kurze Zeit zu zweit tat aber gut, weil es meist eine Mischung aus Gelassenheit und Heiterkeit ist.
Als wir nach Hause kamen, waren alle Menschenskinder verpflegt, gezähnegeputzt, gepyjamt und nahezu im Bett. Und der Boden - gestaubsaugt. Jetzt muss ich weinen. Dieses Dorf war an jenem Tag mehr da als üblich. Und vielleicht geht es nicht nur ums Durchstreichen von Akten in unserem Kopf sondern auch das Hilfe in Anspruch nehmen bevor uns alles über den Kopf wächst, selbst dann wenn die Kinder nicht mehr Säuglinge sind.
HAPPY SUNDAY
PS: Das wichtigste und schönste. Ich konnte mit dem Menschenskind, mit welchem ich die Auseinandersetzung führte, sprechen. Darüber wie es sich und ich mich fühlte und beide nicht mehr weiter wussten.
Zuletzt haben wir uns in den Arm genommen und uns beieinander entschuldigt. Vorkommen wird es wieder - auch das ist in einer Elternlaufbahn sicher - composure hin oder her. Aber vielleicht weniger bald, weniger fest und weniger verletzend.
PPS: Dieses Fahrrad war mein Geschenk auf Mäni's 40igst. Es ist ein MAY Ltd. Stadtvelo. Gegründet von zwei Freunden, die aus Spass von ihren Traumvelos Skizzen kritzelten. Irgendwann entstanden daraus Prototypen und nochmals irgendwann konnten die beiden ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Echtes Schweizerdesign zu einem fairen Preis weil direkte Produktions- und Distributionswege.
Die Rahmengeometrie der YIWU Modelle erinnert an die italienischen Giro d'Italia Rennräder der 70er - das Endergebnis eine Hommage, an alle die es schnell und minimalistisch mögen.
PPPS: Die Shirts sind eine Entdeckung von vor zwei Jahren an der Blickfang Designmesse. Chris - Head of ournewnisex - ist es ein Herzensanliegen, dass seine Kollektion von beiden Geschlechtern getragen werden kann - a collection for humans.
WETTBEWERB
Zusammen mit Chris darf ich ein KOOL KID Shirt verlosen.
Schreib mir in den Kommentaren eine Zeile worauf du grad Lust hast und ich lose dann aus. Teilnehmen kannst du bis am 17.09.2023. Teilnahme in der Schweiz - über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.
good luck.